Empathen geraten in der Liebe oft an die Falschen
Warum sich die Liebe in Kombination mit Empathie oft schwierig darstellt, liegt in der Hauptsache am hohen Einfühlungsvermögen der empathisch veranlagter Menschen. Das klingt zunächst ziemlich paradox, aber es ist genau diese wunderbare empathische Charakterstärke, die die Partnersuche ziemlich verkomplizieren kann.
Nur Empathen können auch Subtiles aus Umwelt und Umfeld wahrnehmen. Durch ihre feinen Antennen sind sie permanent auf „Empfang“ geschaltet. Auf der einen Seite bringt dies natürlich einige Vorteile, auf der anderen kann ein sehr hohes Einfühlungsvermögen auch belastend sein. So mancher Mitmensch trägt schließlich nicht nur positive Aspekte in sich, und dies spüren empathisch veranlagte Menschen natürlich sehr deutlich. Sie beschließen deshalb, meist schon ab ihrer Kindheit, vor Fremden auf der Hut zu sein und eine gewisse Habachtstellung einzunehmen. Dass dies später auch bei der Liebe dramatische Auswirkungen haben kann, liegt auf der Hand:
Viele empathische Menschen entwickeln bezüglich potenzieller Liebeskandidaten eine hohe emotionale Schutzmauer.
Deshalb muss das Objekt der Begierde erst einmal einseitig einige emotionale Hürden bei Empathen überwinden. Solange im Vorfeld keine seriösen und vertrauensvollen Absichten zu beobachten sind, bleiben Empathen in der Liebe verschlossen wie eine Auster. Zu hoch wäre das Risiko, verletzt zu werden. Sie überlassen daher besonders in jungen Jahren alle ersten Schritte der Anbahnung von Liebesbeziehungen dem anderen. Das Gegenüber ist es, das erste Schritte zu wagen und erste eindeutige Signale zu senden hat. Das heißt, der andere muss zunächst den Mut aufbringen, das emotionale Risiko der Ablehnung auf sich zu nehmen, bevor empathische Menschen bereit sind, sich etwas zu öffnen.
Empathen tun sich in der Regel schwer, selbst aktiv eine neue Liebesbeziehung anzubahnen.
Was jedoch viele dabei nicht berücksichtigen, sind grundsätzliche Prinzipien des Gelingens von Liebesbeziehungen. Jeder Paartherapeut weiß: Je mehr charakterliche Übereinstimmungen zwei Personen aufweisen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, ein glückliches und vor allem langes Liebesglück zu realisieren. Das bedeutet für unseren Fall, dass passende Liebeskandidaten idealerweise ebenso empathische Fähigkeiten mitbringen sollten. Der Widerspruch wird jetzt sicher schnell offensichtlich, denn die passende Zielgruppe für Empathen trägt natürlich die gleichen bereits beschriebenen Sicherheitsansprüche in sich, wenn es um die Liebe geht.
Treffen Empathen bei der Partnersuche das erste Mal auf Menschen, die ebenso empathisch veranlagt sind, passiert in der Regel nichts.
Manchmal warten sie sogar bis zum Nimmerleinstag. Obwohl beide Parteien sich vielleicht vom jeweils anderen angezogen fühlen oder sich auf sonstige Weise insgeheim als passend einstufen, erwartet jeder etwas vom Gegenüber, was er selbst nicht wagt zu tun. Beide Seiten haben hohe emotionale Sicherheitsbarrieren und Schutzmauern aufgebaut und möchten erst einmal für sich selbst beobachten, ob künftig emotionale Gefahren drohen könnten. Beide verlassen infolgedessen ihre emotionale Deckung nur selten. Wahrscheinlich ist keiner von beiden bereit, als erstes die emotionalen Hosen runterzulassen.
Empathische Menschen vergessen leicht, dass die für sie passenden Kandidaten und Kandidatinnen die gleiche Erwartungshaltung in Sachen Liebesengagement haben wie sie selbst.
Dies kann so weit führen, dass sich zwei empathische Menschen zwar gegenseitig eindeutig entdecken, wahrnehmen, zufällig sehen oder auf sonstige Weise aufeinandertreffen und beide sogar deutlich interessiert sind, es aber noch nicht einmal zu einer simplen Kontaktaufnahme kommt. Dann standen sich vielleicht zwei Menschen gegenüber, auf die eine große Liebesbeziehung gewartet hätte, aber keiner der beiden war bereit, die Gelegenheit beim Schopfe zu packen.
Empathische Menschen spüren zwar sehr wohl, wenn ihnen das Schicksal gerade die Hand reichen möchte, sie können sich aber oft nicht überwinden, mutig zuzugreifen.
So ist es tatsächlich möglich, dass einige empathische Menschen in der Liebe auf glückliche Zufälle hoffen, aber gleichzeitig nicht bemerken, dass diese bereits längst geschehen sind.
Und dennoch gehen nahezu alle Empathen irgendwann einmal eine Partnerschaft ein. Stellt sich demnach die Frage, wie das wohl im Vorfeld mit der Anbahnung geklappt hat. Welcher Persönlichkeitstyp war es denn, der in der Kennenlernphase das Heft in die Hand genommen hat? Welcher Typus Frau oder welcher Typus Mann hat damals wohl die Initiative ergriffen und das Risiko der emotionalen Enttäuschung einseitig in Kauf genommen? Die Antwort ist recht einfach:
Nur Menschen mit geringer empathischer Veranlagung werden in der Anbahnung von Liebesbeziehungen eher eine Herausforderung sehen als ein emotionales Risiko.
Besonders Nichtempathen sind emotional bzw. psychisch nicht allzu fragile Wesen. Damit tragen sie auch kein Risiko in sich, sonderlich verletzt zu werden. Manche können sogar fröhlich eine emotionale Ablehnung nach der anderen einfangen, ohne Gefahr zu laufen, ihre innere Stabilität zu verlieren. Ausschließlich Nicht- oder Wenigempathen haben nahezu keine Angst, sich einen Korb abzuholen. Sie sind sogar imstande, eine lange Zeit vermeintliche emotionale Widerstände zu ertragen, ohne ihre Motivation zu verlieren, jemanden trotzdem zu erobern.
Die passendere, empathisch veranlangte Zielgruppe würde diese Verhaltensweisen niemals an den Tag legen.
Damit bleiben nur Nichtempathen übrig – solche Personen, die problemlos aus sich herausgehen können, weil ihnen die hohe innere Verletzbarkeit völlig fremd ist. Besonders in der ersten Lebenshälfte fühlen sich Empathen von dieser vermeintlichen nichtempathischen Risikobereitschaft angezogen. Diese anfängliche Einseitigkeit nehmen Empathen natürlich gerne in Anspruch, schließlich löst das alle ihre Probleme. Sie können emotional in Deckung bleiben, bis sie sich sicher sind, dass keine Gefahr mehr droht und sie sich unbesorgt öffnen können. Nur vergessen sie dabei oft, mit welchem Menschenschlag sie es dabei gerade zu tun haben.
Erst in der Rückschau wird empathischen Menschen klar, dass sie sich in jungen Jahren manchmal an Menschen gebunden haben, die zu wenig Einfühlungsvermögen und Tiefgang hatten.
Die Betonung liegt auf „jungen Jahren“, denn im Laufe des weiteren Lebens ändert sich bei Empathen oft alles in der Liebe. Je erfahrener sie werden, desto eher sind sie in der Lage, ihre emotionale Schutzmauer einzureißen. Dadurch beginnen sie nach und nach, selbst Initiative und Verantwortung zu übernehmen. Sie selbst sind es nun, die bereit sind, zu tun, was sie in jungen Jahren ausschließlich vom Gegenüber erwartet haben. Wenn die Resilienz aufgrund der fortgeschrittenen Lebenserfahrung größer und größer geworden ist, können sie tatsächlich ihre wahre Zielgruppe entdecken. Sie können Initiative zeigen und das Liebesglück selbst beim Schopfe packen. Sie sind nicht mehr auf das einseitige Vorgehen von Nichtempathen angewiesen.
Trifft dann ein Empath in der Liebe auf einen anderen empathischen Menschen, kann er ihm sogar behilflich sein, eigene Liebeshürden einzureißen. Manche Empathen gehen sogar konsequent dazu über, die Kontaktaufnahme selbst zu initiieren. Dann sind alle Voraussetzungen erfüllt, damit einfühlsame, tiefgründige Menschen zueinanderfinden können. Jetzt ist der Weg frei für eine völlig andere Qualität der Liebe.
Trifft Einfühlungsvermögen auf Einfühlungsvermögen und Tiefgang auf Tiefgang, dann ist ein Liebeslevel möglich, das für Trophäensammler und Trophäensammlerinnen immer unerreichbar bleiben wird.
Luca Rohleder, Autor von :
Luca Rohleder
Die Liebe empathischer Menschen
Bessere Beziehungen, mehr Selbstliebe und weniger Liebeskummer für sensible Menschen
ISBN 9783982212081
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